Samstag, 9. Juli 2011

Gorch Fock und die Verhöhnung

In Deutschland gibt es eine "Verhöhnung der Frauen". Anlass ist ein Artikel im MarineForum, in der der Autor Erik Lehnert beanstandet, dass die, der Gleichberechtigung geschuldete Nivellierung von Aufnahmekriterien die Effektivität des Militärs senken und Frauen in Gefahr bringen würde.

Der "phöse" Artikel ist leider online nicht verfügbar, so bleibt dem interessierten Leser vorab nur die Möglichkeit, sich woanders zu informieren...

"Marine-Zeitschrift verhöhnt tote „Gorch Fock“-Kadettin" Bild.de
"Marine-Magazin verunglimpft Frauen an Bord" Spiegel online
"Bundeswehr: Soldatinnen fallen leichter" Financial Times
"Marine-Autor verhöhnt tote "Gorch-Fock"-Kadettin" auf Welt.de
"Im Krieg gibt es keinen zweiten Platz" JungeFreiheit
"Verhöhnt ein „Marine“-Autor eine tote „Gorch-Fock“-Kadettin?" auf sezession.de

Das Interessante (zumindest für mich) sind ein paar Aspekte in dieser Diskussion:

Die Verhöhnung

Die Verhöhnung findet so nicht statt. Soweit ich es verstehe, wird der Aspekt angesprochen, dass Frauen - durch eine Herabsetzung der Anforderungen bei einer "Prüfung" -  im Realfall, der nicht gegendert ist, scheitern bzw. einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt werden.

Oder polemisch: Dass Frauen beim Aufnahmetest für den Polizeidienst eine geringere Laufleistung als Männer erbringen müssen ist die Seite, die ihrem Geschlecht geschuldet wird. Aber sollen deshalb männliche Verbrecher ein gegendertes Fluchtverhalten an den Tag legen? Also langsamer laufen wenn sie von einer Polizistin verfolgt werden?

Die Gleichberechtigung/Gleichstellung/Genderei

Dass Aufnahmetests und Prüfungen laufend hinterfragt und angepasst werden ist notwendig. Da gibt es sicher veraltete Test-Aufgaben, die nicht mehr modernen Standards und der technischen Entwicklung entsprechen. Anforderungen können und sollen sich auch verändern.

Dass es in Bereichen, die von Männern dominiert wurden/werden auch Bewertungs-Kriterien gibt, die sich nur an Männern orientieren kann auch nicht bestritten werden und im Sinne einer Gleichberechtigung (bedeutet dass jeder grundsätzlich das Recht besitzt, sich einer Herausforderung zu stellen aber nicht das Recht, dass diese deshalb als gemeistert gilt) sollten solche Kriterien auch kritisch hinterfragt werden. Das Hinterfragen sollte aber nicht einer Sichtweise (Feminismus) allein überlassen bleiben, die eine einseitige Sichtweise und nicht eine objektive Wissenschaft darstellt.

Unabhängig davon, dass Bewertungskriterien auch in umgekehrter Richtung hinterfragt gehören (Beispiel "Soziale Kompetenz" bei der Kindererziehung).

Biologische Kriterien, wie in diesem Fall der Zusammenhang Testosteron und Aggression mögen zwar eine Rolle spielen, aber wenn dieses Kriterium so schlagend wäre, dann gäbe es keine weiblichen Gewalttäter oder andersherum: dann sollte man bei der Tauglichkeitsprüfung - egal ob Mann oder Frau -einen Hormontest verpflichtend machen, man will ja nur die besten Kämpfer haben.

Sollten aber nicht mehr die Herausforderungen und ihre Kriterien als Ausgangspunkt für Tests oder auch Studien dienen, sondern ein gewolltes mittelwert-statistisches Ziel (Erhöhung des Frauenanteils, Quote, Einkommensunterschied), dann können die Konsequenzen auch negativ sein, egal ob sie eine Gefährdung (im Falle der Gorch Fock) oder eine Diskriminierung (wenn auch eine "Positive" oder hier) darstellen.

Wenn z.B. die Englische Feuerwehr einen Test abschafft, bei dem der Getestete eine 100kg Leiter in 20 Sekunden betriebsbereit haben muss, kann ich das aufgrund technischer Möglichkeiten nachvollziehen. Wenn die Anforderungen an die körperliche Belastung aber abgesenkt werden, jagt es mir einen kalten Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, eventuell nicht oder erst später bei einem Brand oder Unfall gerettet werden zu können, weil Frau Feuerwehr körperlich nicht in der Lage ist zu helfen. Unabhängig der Fragwürdigkeit solcher gegenderter Aktionen.

Oder der Aufnahmetest für das Medizinstudium in Österreich. Es wird in drei Ländern (D,A,CH) der gleiche Test eingesetzt. Der Test wird von mehr Männern als von Frauen erfolgreich absolviert. Nur österreichischen wohlgemerkt, in D und CH sowie bei Anwärtern aus dem Ausland herrscht Parität. Hier wird nicht nur Diskriminierung interpretiert, es wird auch der Test verändert bzw. erweitert (um endlich die österreichische Mittelwert-Statistiken zu befriedigen). Wenn dann noch immer nicht das gewünschte Ergebnis zustande kommt, ändern wir die Kriterien, irgendwann wird's schon passen.

Die Diffamierung von Argumenten

Am Meisten ärgert mich aber wieder einmal die Diffamierung der Argumente, in diesem Fall der Spiegel mit "Der Autor selbst rechtfertigt sich ausgerechnet in der rechtslastigen "Jungen Freiheit" für seinen Beitrag.". Man könnte meinen, angelehnt an die klassische Verteidiger-Strategie: man hat keine Gegenbeweise und die Aussagen können nicht widerlegt werden, dann stellt man die Glaubwürdigkeit des Aussagenden in Frage.

Und "rechts" ist, vor allem in der Verquickung mit Nationalsozialismus ganz besonders böse. So böse, dass jegliche Differenzierung unnötig wird und alles einfach grundweg abgelehnt werden kann. Das scheint vielen Menschen die moralische Legitimation zu geben, Argumente und Betrachtungsweisen einfach ignorieren zu dürfen. (Zu diesem Thema sei auch die Lektüre der Polemik "Unter Linken" von Jan Fleischhauer, übrigens ein Spiegel-Kollege, empfohlen)

Es gibt keine Argumente in ideologischer Sippenhaftung. Allenfalls gibt es unvollständige (Dummheit erster Ordnung: Zusammenhänge nicht erkennen) oder haltlose Argumente (Dummheit zweiter Ordnung: Zusammenhänge sehen, die nicht vorhanden sind). Aber zum Trost: eine möglichst grosse Zahl von verschiedenen Betrachtungsweisen kann helfen, Zusammenhänge besser zu erkennen.

Oder frei nach Schopenhauer: Man sollte jedes Argument zumindest dreimal lesen. Einmal um zu wissen, was der Inhalt ist. Einmal um zu erkennen, was der Autor beabsichtigt und einmal um es mit der eigenen Meinung zu vergleichen.

Für jene, die mich in Sippenhaftung nehmen wollen: Ich bin links, betrachte das aber als eine Haltung die sich der Aufklärung bzw. Kritik und nicht ideologischer Dogmen verpflichtet fühlt, ich betrachte Frauen nicht als geringwertiger, auch wenn ich Schopenhauer zitiere und ich bin für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierungen jeglicher Gender, soferne diese (sowohl Diskriminierungen als auch Gender) nicht nur ideologisch konstruiert sind.

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