Sonntag, 7. Oktober 2007

Gegen Gewalt

Unser(1) Bundesminister(2) Erwin Buchinger hat im Sozial Ministerium die Vernissage einer Ausstellung von „White Ribbon“ eröffnet (3). Die Frage lautet jetzt nicht, ob die Darstellung von Kampfsportlern (also Menschen, die aus persönlichem Ehrgeiz oder gegen Geld Gewalt trainieren) in Angriffsposen (lt. dem Blog des Hrn. BM Antigewaltbilder (4)) für das Anliegen wirklich sinnvoll ist.

Mir geht es um das einseitige Anliegen bzw. die damit verbundene Stigmatisierung von Männern als Täter (5)(„Gewalt ist männlich“, „nur Frauen sind die Opfer“, etc.). Und um das sogenannte Tabuthema von „männlicher Gewalt“. Laut Definition (6) kann man das Thema „Mann als Täter“ nach jahrzehntelanger öffentlicher Diskussion und darauf folgender Gesetze schwerlich als Tabuthema bezeichnen.

Wenn es Tabuthemen im Bereich Gewalt gibt, dann sind es Themen (7) wie:
- Männer als Gewaltopfer (unabhängig des Tätergeschlechtes), denn zwei Drittel aller Gewaltopfer sind Männer (und das hat nichts mit der subjektiven Gewaltwahrnehmnung zu tun, sondern läßt sich mit Kriminalitätsstatistiken nachweisen).
- Frauen als Täterinnen: in der Beziehung (Studien gehen von einer Ausgewogenheit der Geschlechter aus, siehe auch 7), Gewalt gegen Kinder (Tötung Neugeborener wird fast ausschließlich von Frauen begangen, im Alter zwischen 1 und 5 Jahren herrscht Gleichstellung, siehe 7,8), Gewalt gegen ältere Menschen und Pflegebedürftige (9)
- der Gewaltbegriff an und für sich (10): Gewalt wird meistens aus Sicht des „Endeffektes der Gewalt“ gesehen mit einer klaren Trennung in Täter und Opfer und nicht wie die Gewaltforschung zeigt, als einen Prozess von Interaktion (Gewaltspirale), in dem Opfer und Täter eine Rolle spielen. Und damit meine ich nicht, dass das Opfer an der Gewalt schuld ist, aber mitverantwortlich an der Gewaltentwicklung.

Es gibt natürlich noch weitere Themen im Bereich Gewalt, wie z.B. Selbstmord, (die Gewalt gegen sich selbst) bei dem zwar die Täter überwiegend männlich sind, aber logischerweise auch die Opfer...

Dass der Feminismus die „Frau als Opfer“ in den Mittelpunkt stellt, ist in seiner Ideologie begründet und somit auch berechtigt, aber als Aspekt innerhalb eines Diskurses über Gewalt, nicht als „einzige Wahrheit“ dieses Diskurses. Die Politik bzw. öffentliche Organisationen und daraus folgend die öffentliche Meinung sollten sich dem Thema nicht nur in Teilaspekten, sondern in seiner Breite und Komplexität widmen (und auch veröffentlichen). Wahrscheinlich würden dann mehr Männer für den Begriff Gewalt sensibilisiert werden, wenn sie sich nicht nur als ubiquitäre Täter wiederfinden, sondern auch als Opfer.

Im Rahmen einer Gleichstellungspolitik, die die Bedürfnisse und Anforderungen beider Geschlechter berücksichtigt, wäre dies vielleicht ein Schritt vorwärts? Aber Halt! Wie ich in einem Kommentar des Hrn. Ministers lese, glaubt er noch nicht wirklich an eine Gleichstellungspolitik (11). Nun gut. Dann als Vertreter der „Männerpolitische Grundsatzabteilung“ in seinem Ministerium? Geht wahrscheinlich auch nicht. Wie ich dem gleichen Kommentar entnehme, ist ja „Männerpolitik ein Teil der Frauenpolitik“ (12).

Tja. Dann warte ich halt, bis der Feminismus und die Frauenpolitik die „Frau als Täterin“ entdeckt.
Bis dahin trage ich eine halbe weisse Schleife oder eine andere Farbe (die gegen jegliche Gewalt).
Obwohl die richtige Farbe zu finden ist auch nicht mehr so leicht (13)!

Anmerkungen
(1) „Unser“ ist nicht parteipolitisch betrachtet, aber er ist „unser“ gewählter Volksvertreter...

(2) Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz in dem es auch eine „Männerpolitische Grundsatzabteilung“ gibt.
Bundesministerium:
http://www.bmsk.gv.at/
Männerpolitische Grundsatzabteilung:
http://www.bmsk.gv.at/cms/site/liste.html?channel=CH0132

(3) „Zurück im Sozialministerium eröffne ich im Foyer des Hauses um 17.00 Uhr die Vernissage "Prävention Männergewalt" mit bekannten und neuen ("Meine Fäuste fliegen nur im Ring") Antigewaltbildern von White Ribbon. Ich betone dabei, dass Hilfe für die Opfer männlicher Gewalt – vor allem für Frauen und Kinder – im Vordergrund stünde, jedoch auch die Präventionsarbeit bei den Männern selbst verstärkt werden müsse.“
http://www.erwin-buchinger.at/cms/buchinger/blog_einzel.html?dokument=CMS1190973061492

(4) http://www.erwin-buchinger.at/cms/buchinger/attachments/8/9/7/CH0764/CMS1190973061492/boxer_300dpi-kopie.jpg

(5) „Starke Männer brauchen keine Gewalt
90 Prozent aller Gewalttaten werden von Männern verübt.“
http://vorarlberg.orf.at/stories/226735/

(6) „Als ‚Tabuthema‘ wird ein Thema bezeichnet, das nicht oder nur eingeschränkt öffentlich thematisiert wird. Oft handelt es sich dabei um Gebiete, die wunde Punkte einer Gesellschaft berühren.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Tabuthema Stand 06.10.2007

(7) Linksliste zu den Themen:
Häusliche Gewalt ist weiblich
http://www.novo-magazin.de/45/novo4522.htm
Das falsche Tabu
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/675399/
Häusliche Gewalt - Die Wahrheit dazu
http://www.umweltjournal.de/fp/archiv/AFA_familienrecht/12949.php
Häusliche Gewalt
http://www.maennerberatung.de/haeusliche-gewalt.htm
Jetzt leiden sie wieder
http://www.welt.de/print-welt/article342304/Jetzt_leiden_sie_wieder.html
Männer werden mindestens ebenso oft Opfer von Gewalt wie Frauen
http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/07/05/123a0301.asp?cat=/medizin/maennerprobleme
Gewalt ist nicht (nur) männlich
http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/20419/

(8) Gewalt gegen Kinder:
Studie von UNICEF: Gewalt gegen Kinder
http://www.unicef-irc.org/publications/pdf/repcard5e.pdf
Internationale Berichte, hier Österreich
http://www.endcorporalpunishment.org/pages/progress/reports/austria.html#Prevalence
Tötungshandlungen im familiären Umfeld
http://132.199.136.23/download/lehre/ss06/32035/toetung.pdf

(9) Gewalt gegen ältere Menschen und Pflegebedürftige (bei den Links gibt es zwar keine Zahlen nach Geschlechtern, aber den Hinweis das die Pflegenden nahezu ausschließlich Frauen sind)
Gewalt gegen alte Menschen
http://idw-online.de/pages/de/news227963
Studie der Uni Frankfurt
http://www.muk.uni-frankfurt.de/org/ltg/admin/muk/Publikationen/FFFM/dok/2007/2007-02/111-114-zenz.pdf

(10) Gewalt; Begriffliche Überlegungen und die Bewertung von Handlungen
http://them.polylog.org/5/fss-de.htm

(11) Kommentar von Sozialminister Erwin Buchinger über sein Männerbild (auf ceiberweiber.at)
“Langfristig hoffe ich persönlich allerdings auf eine Verschiebung der derzeitigen Diskussion um Frauen- oder Männerpolitik hin zu einer Gleichstellungspolitik.„
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=629

(12) Kommentar von Sozialminister Erwin Buchinger über sein Männerbild (auf ceiberweiber.at)
„Als neuer Mann, halte ich es auch für notwendig, Männerpolitik als Teil der Frauenpolitik anzugehen und deshalb einen regen Austausch mit dem Frauenministerium sowie mit Frauenvereinen und –organisationen zu pflegen.„
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=629

(13) http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_awareness_ribbons
http://www.abowforallseasons.com/catalog/item/3794619/3605905.htm

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